Alte Mühlgräben in Erfenschlag
Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurde die Kraft des Wassers zur Verrichtung von Arbeit in Mühlwerken, aber auch an Maschinen, genutzt.
Durch die künstlich angelegten Mühlgräben, die in mühevoller Arbeit teils in offener Bauweise und teilweise als überwölbter Graben errichtet wurden, gelangte das Wasser aus der Zwönitz zu den Mühlen. Mittels der Wasserräder wurde die Wasserkraft auf Transmissionen weitergeleitet zum Antreiben der Maschinen. In unserem Ort Erfenschlag wurde im Verlaufe des genannten Zeitfensters die Speersche Fabrik (ehemals Schnabel und Eismann), die Ölmühle Richter und die Stiefel-Mühle mit der Kraft der Wassers angetrieben.
Bis in die heutige Zeit zeugen noch beachtliche Reste von den Mühlgräben der damaligen Zeit. Der Verlauf dieser Gräben ist weitestgehend noch bekannt. Die offenen Bereiche der Mühlgräben wurden leider um die Mitte des letzten Jahrhunderts mit Hausmüll verfüllt. Die überwölbten Strecken der Mühlgräben sind nur an wenigen Stellen sichtbar, so zum Beispiel oberhalb des ehemaligen Kindergartens. Senkungen und Einbrüche der Gewölbedecken weisen immer noch auf den Verlauf der denkmalgeschützten Mühlgräben hin. Ebenfalls im Bereich der Uferbefestigung sind noch Einläufe von Mühlgräben zu erkennen.
Wolfgang Köhler
Ein denkmalwürdiger unterirdischer Mühlgraben im Stadtteil Erfenschlag
Im Stadtteil Erfenschlag existierten an der Zwönitz mehrere Mühlgräben, die zum Teil bis heute erhalten sind. Besonders interessant ist ein Mühlgraben, der mit dem Stauwehr im Stadtteil Einsiedel begann. Zuerst wurde das Aufschlagwasser oberirdisch zwischen Papierfabrikteich und rechten Zwönitzufer Richtung Erfenschlag geführt. Im Bereich der ehemaligen Papierfabrik (heute Gewerbepark Einsiedel) verlief er unterirdisch bis kurz nach dem Lehmgrubenweg (Tretbecken) (3, 8).
Der Waldbach, oder auch Rachel genannt, legte beim Hochwasser 2010 den unterirdischen Teil des Mühlgrabens am Lehmgrubenweg frei (?).
Weiter verlief der Mühlgraben oberirdisch, unterquerte eine Wanderwegbrücke (Bezeichnung "Tunnel", Abb. 1) (11), bis ca. 65 m vor der Fußgängerbrücke über die Zwönitz (Abb. 2) der zweite unterirdische Teil über eine Strecke von 320 m auf Erfenschlager Flur beginnt. Das letzte Teilstück des Mühlgraben wurde als Obergraben bis zur sogenannten Ölmühle geführt. Unterhalb dieser Ölmühle vereinigt sich der Kanal wieder mit dem Zwönitzfluss (1, 2, 10).Unterirdische Mühlgräben sind in Sachsen ausgesprochen selten (z.B. Leipzig - Weiße Elster und Halle - Seitenarm der Saale).
Durch zwei Mitglieder des Bürgervereins Erfenschlag (W. Köhler, W. Blaß) erfolgte 2007 eine Begehung und fotografische Dokumentation des Mühlgrabens auf Erfenschlager Flur.
Im Mittel beträgt die Breite des unterirdischen Stollens ca. 2,30 m, die Höhe liegt bei ca. 1,50 m. Die seitlichen Wände gehen ca. 0,70 m senkrecht nach oben. Die Decke ist in Gewölbebauweise aus tonschieferähnlichem Phyllit ausgeführt und mit Sicherungseisen versehen (Abb. 3 und 4). In diesem unterirdischen Teil des Mühlgrabens müssen zu einem unbekannten Zeitpunkt Innenausbauten erfolgt sein (Abb. 5). Es sind 6 ungesicherte Einbruchstellen im unteren Bereich nachweisbar, wovon eine begehbar ist. Parallel zu diesem unterirdischen Mühlgraben beginnt ein weiterer Mühlgraben, der Abzweig von der Zwönitz wird im Volksmund in Anlehnung an die Moselmündung in den Rhein "Deutsches Eck" genannt (Abb. 6).
Im September 1882 nahm Wilhelm Louis Richter(1850 - 1937) die Ölmühle in Betrieb (damals Erfenschlag Nr.18, heute "An der Ölmühle"). Ein Reklameblatt der Firma weist als Gründung das Jahr 1871 aus. Zu diesem Zeitpunkt muss der Mühlgraben schon bestanden haben. Es ist sogar davon auszugehen, dass dieser wesentlich älter ist. In alten Karten des Erzgebirgskreises von 1760 sind auf Erfenschlager Flur bereits 3 Mühlen verzeichnet (9). 1928 wurde im Chemnitzer Adressbuch die Firma "Oelrichter-Erfenschlag" geführt. Die Ölmühle gehörte zu den wenigen Gebäuden die den 2. Weltkrieg unbeschadet überstanden, wurde aber leider 1958 abgerissen, um eine Zufahrt für schwere Baufahrzeuge für das unter Denkmalschutz stehende Fabrikgebäude der Gebrüder Schnabel zu schaffen (6). 1939 soll der Mühlgraben still gelegt worden sein (3). Nach Ende des 2. Weltkrieges verfüllte man den offenen Teil des Mühlgrabens mit Hausmüll und Bauschutt fast vollständig (Abb. 2). In den 50er Jahren soll der Mühlgraben teilweise noch Wasser geführt haben. Ein Antrag der Erben der Ölmühle einschließlich des Flurstückes des Mühlgrabens auf Verzicht des Eigentums des Grundstückes wurde vom Rat der Stadt Karl-Marx-Stadt 1965 abgelehnt. Seit 2005 ist die Stadt Chemnitz Eigentümer des ehemaligen Geländes der Ölmühle mit dem Mühlgraben (5).
Der Mühlgraben zur Ölmühle stellt ein Kulturdenkmal im Sinne des § 2 Absatz 1 „Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen, d.h. "eine von Menschen geschaffene Sache, Sachgesamtheit, Teile und Spuren von Sachen einschließlich ihrer natürlichen Grundlagen, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen, städtebaulichen oder landschaftsgestaltenden Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt", dar.
Unter der ID Nr. 09204894 der Kulturdenkmalliste Chemnitz-Erfenschlag ist das dazugehörige Herrenhaus und Produktionsgebäude (Fabrikgebäude der Gebrüder Schnabel), mit Böschungsmauer und Mühlgraben bereits registriert (4). Entsprechend § 2 Absatz 5 ist der Mühlgraben zur Ölmühle ein Kulturdenkmal im Sinne dieses Gesetzes, insbesondere a) ein Bauwerk und d) ein Werk der Produktions- und Verkehrsgeschichte.
Parallel zu diesem Mühlgraben bzw. zum Zwönitzfluss verläuft ein landschaftlich schöner Wanderweg, zu diesem verläuft in der Zwönitz eine bei Niedrigwasser sichtbare Steinmauer, die den früheren Verlauf der Zwönitz vor Begradigung im unteren Bereiches des Flusslaufes wieder gibt. Insbesondere der Bereich einer Wegkreuzung (Tunnel), Grenze zur Einsiedler Flur bietet sich zur ersten Sichtbarmachung des Mühlgrabens als Technisches Denkmal mit einer Informationstafel an. Voraussetzung dafür wäre, eine wenigstens teilweise Müllberäumung sowie eine Beseitigung des Wildwuchses in diesem Bereich. Im zweiten Schritt könnte eine Freilegung des offenen Bereiches ebenfalls durch eine Müllberäumung und Beseitigung des Wildwuchses erfolgen. Über eine Sicherung der Einbruchstellen 2 bis 6 sollte im öffentlichen Interesse unbedingt nachgedacht werden.
Bei dem Neubau der Wanderbrücke über die Zwönitz in Erfenschlag wurde im August 2016 der unterirdische Mühlgraben in einem kleinen Bereich bei Baggerarbeiten beschädigt und anschließend durch Beton wieder verschlossen.
Literatur:
1. Situationsplan über das Fabrikgrundstück zu Erfenschlag, kopiert im November 1907 von Alfred Hartwig
2. Lageplan über die Flurstücke 73,85,86,87,160a.160b,161,162 von Erfenschlag von 1948 angefertigt von Schneider, Stadtvermessungsoberinspektor
3. Einsiedler Anzeiger April 2016, Heimatgeschichte: Der Teich am Gymnasium genannt "Papierfabrikteich"
4. Landesamt für Denkmalpflege Sachsen: Denkmalliste zu Chemnitz
5. Persönliche Mitteilungen von Herrn Klaus Richter, Dresden; Nachfahre der Firma Oelrichter
6. 600 Jahre Erfenschlager Straße 1402 - 2002, Verlag Heimatland Sachsen, Chemnitz
7. Übersichtsplan der Flur Erfenschlag - Chemnitz 1909, Stadtarchiv Chemnitz
8. Plan von Einsiedel, Bearbeitet im Jahre 1928 von Mitscherling und Seifert, beeid. f. d. verm.- Gewerbe Chemnitz, Stadtarchiv Chemnitz
9. Carte von Ertzgebürgischen Creyss in Churfürtsenthum Sachsen mit allen darinnen befindlichen Aemtern , 1760 , Karthograph: Peter Schenk
10 Croquis der Flur Erfenschlag, Im Detail aufgenommen in den Monaten August & September 1838 von C. Schmidt
11. Legler, B., Thiele,W., Tomaschek, G.: Arbeitsbericht über die Überreste der Mühlgräben von Erfenschlag, 2004
Danksagung:
Herrn Klaus Richter, Dresden danken wir für die persönliche Unterstützung bei der Recherche zum Mühlgraben und für die Überlassung einer umfangreichen Dokumentation.
Wolfgang Blaß
Abbildung 1: Tunnel des Mühlgrabens
Abbildung 2: oberirdischer Bereich des Mühlgrabens zwischen Tunnel und Zwönitzbrücke
Abbildung 3: Unterirdischer Mühlgraben
Abbildung 4: Sicherungseisen im Gewölbebereich
Abbildung 5: "Inneneinenbauten" nach Stilllegung des Mühlgrabens
Abbildung 6: "Deutsches Eck", ein weiterer Mühlgraben beginnt in Erfenschlag
Abbildung 7: Verlauf der Mühlgraben in Erfenschlag (Ausschnitt aus dem Lageplan Erfenschlag 1909)